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Tag 229 – 230: Von Cerkezköy nach Cayirdere – 16Km (2631Km)

Donnerstag, 25.10.2012 und Freitag 26.10.2012

Auf Schleichwegen geht es heute nach Istanbul. Leider noch nicht die Stadt, diese ist noch ca. 120Km entfernt.
Aber wir befinden uns nun schonmal im Landkreis Istanbul.
Die Vorfreude wird immer größer.

In vielen kleinen Dörfern welche wir heute durchlaufen sehen wir vom Blut gefärbte, rote Strassen und Flüsse…
Es ist Bayram. Opferfest.
Jeder dem es Wirtschaftlich gut geht schlachtet heute entweder eine Kuh, ein Schaf oder ein Kamel.
Die privaten Schlachtungen finden direkt vor oder im eigenen Haus statt.
Ein Drittel des Fleisches bleibt in der Familie, ein Drittel wird dem Nachbarn gegeben und ein Drittel gibt man an Arme und Mittellose Menschen. Warum das ganze?
Es ist ein religiöses Fest welches 4 Tage andauert. Es bezieht sich auf die in der islamischen Religion sehr wichtige Geschichte des Propheten Ibrahim. In dem Moment, als der Sohn des Propheten geopfert werden sollte, stieg vom Himmel ein Widder herab mit dem Befehl Gottes, ihn anstelle seines Sohnes zu opfern.

Auch uns wird mehrfach Fleisch der geschlachteten Opfertiere angeboten. Tody ist Vegetarierin und auch ich habe leider keine Verwendung für 15Kg rohes Fleisch. Wir wissen dass es die Menschen sehr ehrt wenn wir ihre Geschenke annehmen, dennoch müssen wir das Angebot ablehnen und ziehen weiter.

Auch wenn es heute nicht mehr regnet kämpfen wir auf dem weiteren Weg etwas mit den Auswirkungen der letzen Tage.
Manche Strassen sind von dem starken Regen unter so einer dicken Schlammschicht vergraben das wir neben die Strasse, auf das hohe Gras und teilweise auf die Schienen ausweichen müssen.
Nach 16Km erreichen wir dann den Ort Cayirdere.
Wir finden einen Supermarkt, stellen unsere Rucksäcke ab und machen eine Pause.

Wir bleiben nicht lange allein. Nach kurzer Zeit bietet man uns Tee und eine Kleinigkeit zu Essen an.
Schnell bildet sich eine kleine Menschentraube um uns. Es spricht sich in einem kleinen Ort schnell herum wenn neue Menschen auftauchen.

Auch der Bürgermeister (Muhtar) erfährt sehr bald von uns und wünscht uns zu sehen.
Von Kindern begleitet machen wir uns auf den Weg zu seinem Büro.
Wir erfahren von ihm dass wir die ersten Touristen sind die er in seiner laaaaangen Amtszeit jeh hier gesehen hat. Immer mehr Menschen kommen in das Büro des Bürgermeisters um uns zu sehen.
Als wir dann den Grund erklären weshalb wir hier sind und nach einer Übernachtung fragen schlägt man sich fast um uns. Wir werden gebeten 2 Nächte hier zu verbringen da es für 2 Familien eine sehr große Ehre ist uns aufzunehmen.
Wir sind von der Gastfreundschaft überwältigt. Ich kann die eine und andere Freudenträne in Tody’s Gesicht sehen.
Und ich kann es sehr gut nachvollziehen. So etwas habe ich auch noch nicht erlebt.

Wir bleiben noch etwas im Büro des Bürgermeisters sitzen und trinken gemeinsam noch ein paar Tee. Die Kinder und auch andere Besucher stellen uns sehr interessiert Fragen.
Im Anschluss geht es zur ersten Familie. Wir Schultern unsere Rucksäcke und folgen ihnen zu ihrem Haus.
Dort werden wir sehr herzlich vom Rest der Familie empfangen. Zafer, der jüngste, ist 25, hat eine Freundin in Deutschland und spricht daher sehr gut deutsch.
Es gibt eine heiße Dusche und anschließend Abendessen und noch lange Diskusionen.

Am nächsten Morgen werden wir von dem Vater der 2ten Familie abgeholt und zu ihrem Haus begleitet.
Der Mann erzählt uns auf dem Weg dass seine Kinder schon sehr aufgeregt sind und sich sehr freuen uns zu treffen.
Als sie gestern erfahren haben dass wir heut zu Besuch kommen haben sie sich die ganze Nacht Fragen für uns ausgedacht.
Als wir das Haus dann erreichen warten die Kinder bereits mit einem breiten Lächeln am Fenster auf unsere Ankunft.
Nach dem kurzen Weg ist die Wanderung für heute also wieder beendet. Wir ziehen die Wanderschuhe aus und stellen die Rucksäcke wieder in die Ecke.
Gemeinsam mit dieser wundervollen Familie genießen wir ein fantastisches Frühstück.
Anschließend gehen wir gemeinsam gemütlich ein bisschen im Ort spazieren.

Am Ortsausgang entdecken wir viele große und kleine Holzberge. Wir kommen mit einem Mann ins Gespräch. Stolz erklärt er uns das hier Holzkohle produziert wird. Und er gibt sich grosse Mühe es uns ganz genau zu erklären. Das Verfahren ist sehr alt und wurde von den Griechen überliefert. Kurz erklärt: Es wird im inneren des Holzberges ein Feuer entzündet (Dazu das kleine Loch am Boden). Der Prozess dauert ca. 10 Tage wobei ständig jemand aufpasst. Und fertig ist die Holzkohle.

Wir bedanken uns für die sehr ausführliche Erklärung und führen unsere Runde durch den Ort weiter fort.
Wieder zurück bei der Familie gibt es Mittagessen.
Am Nachmittag spielen wir mit den Kindern und verbessern unsere Türkischen Vokabeln.

Während der ganzen Zeit des Opferfest werden von Verwandten Feiertagsbesuche abgehalten.
Den ganzen Tag über kamen immer wieder Freunde und Bekannte zu Besuch. Immer so für eine Dauer von ca. 1h.
Allerdings mit einer Ordnung als ob es geplant wäre.
Nie waren mehrere Familien gleichzeitig zu Besuch.
Doch es war nicht geplant, es ist reiner Zufall wann welche Familie zu Besuch kommt.

Mit einem wunderbaren Abendessen neigt sich der Tag dem Ende.

Für einen Tag waren wir Teil dieser wundervollen Familie.
Man hat uns nicht wie Gäste behandelt, nein, viel besser, als einen Teil der Familie.
Und dafür sind wir so dankbar. Dafür das wir das erleben durften und dafür das wir diese Reise so gehen wie wir sie gehen.
Worte können es nicht wiedergeben was wir an diesem Tag erlebt und gefühlt haben.
Vielen “normalen” Touristen bleibt dies verwehrt.
Cayirdere ist kein Touristenort. Es gibt weder Hotels oder andere offizielle Übernachtungsmöglichkeiten.
Auf der Karte ist dieser Ort leicht zu übersehen da er sich nicht an einer Hauptstraße befindet.
Und das ist gut so…

Dieser Ort und all die wunderbaren Menschen welche darin leben haben einen Platz in unserem Herzen. Und dafür brauchen wir keine Karte.
Dahin finden wir immer wieder zurück…

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